Die unsichtbaren Verletzungen der Prostitution
Autorin: HelenaIch liege hier im Krankenhausbett und spüre meinen Körper so deutlich wie schon lange nicht mehr. Nicht durch Stärke, sondern durch Erschöpfung. Ich bin keine 40 und mein Körper bewegt sich schon Richtung Wechsel. Hormonelle Schwankungen, Entzündungen, immer wieder Infektionen. Das begleitet mich seit meinem Einstieg in die Prostitution. Und jetzt bin ich an einem Punkt angekommen, an dem es nicht mehr geht. Meine Gebärmutter wird entfernt.
Es fühlt sich an, als würde ich zum ersten Mal wirklich begreifen, was mit mir gemacht wurde und was ich selbst mitgetragen habe, um zu überleben. Ich habe so viel ausgehalten, so viele Schmerzen ignoriert, so viele Warnsignale übergangen. Ich habe den Preis dafür gezahlt, dass ich funktionieren musste.
Ich habe den Preis dafür gezahlt, dass Männer meinen Körper benutzen durften.
Wenn Frauen in die Prostitution geraten, denken sie an Geld. Sie denken daran, wie sie über den Monat kommen. Sie denken daran, wie sie sich und ihre Kinder versorgen können. Sie denken nicht daran, dass sie irgendwann ihre Blutung unterdrücken müssen.
Sie denken nicht daran, dass sie trotz Infektionen weiter Sex haben, weil Stillstand nicht erlaubt ist. Sie denken nicht daran, dass der eigene Körper irgendwann einfach zusammenbricht.
Und dann passiert genau das.
Man sitzt im Krankenhaus und hört, dass der Körper nicht mehr kann. Ein Keim bleibt. Die Schmerzen bleiben. Und am Ende bleibt die Entfernung der Gebärmutter.
Und dann gibt es noch etwas, worüber niemand sprechen will. Was passiert, wenn Prostituierte schwanger werden. Es gibt keinen sicheren Raum, keine Stabilität, keine Versorgung. Viele Frauen haben nicht einmal das Geld für eine Abtreibung. Viele haben nicht die Möglichkeit, ein Kind auszutragen. Viele sind nicht versichert. Und viele osteuropäische Frauen fahren in ihr Herkunftsland, lassen dort einen günstigen Eingriff machen und sind zwei Tage später wieder im Bordell. Weil sie müssen.
Weil niemand sie schützt.
Währenddessen streiten wir in Deutschland darüber, welche Begriffe wir benutzen sollen. Ob es selbstbestimmt ist. Ob es ein Beruf ist. Wir reden und reden und verlieren die Frauen aus dem Blick.
Die Realität ist, dass Frauen ausgebeutet werden.
Ihre Körper dienen als Abladeplatz für die Bedürfnisse von Männern, die glauben, sie hätten ein Recht darauf. Ohne Verantwortung. Ohne Konsequenzen.
Und die Zahlen dazu sind eindeutig. Über 40 Prozent der untersuchten Prostituierten tragen HPV, den wichtigsten Risikofaktor für Gebärmutterhalskrebs. Die Rate an Vaginosen, Unterleibsentzündungen und chronischen Infektionen ist massiv erhöht. Viele leben mit ungeklärten Schmerzen, mit Zyklusstörungen, mit hormonellen Zusammenbrüchen. Viele haben keinen Zugang zu regelmäßiger medizinischer Versorgung. Viele sind nicht krankenversichert.
2025 © Helena
Titelbild: Helena / Netzwerk Ella