
von Pani Fem
Liebe Freundinnen und Freunde,
das Kommunale Frauenreferat Wiesbaden hat eine ausführliche, fundierte und sehr lesenswerte Kritik zur Evaluation des ProstSchG veröffentlicht. [1, 2]
Die Erkenntnisse aus Wiesbaden decken sich auch mit unseren eigenen Erfahrungen und Beobachtungen als Betroffene. [3] Das muss die Politik endlich zu Kentniss nehmen und handeln!
Am 24. Juni 2025 veröffentlichte das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN), die lange erwartete Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG). Da sich die Erkenntnisse des Teams der Forscherinnen und Forscher wenig mit den Erkenntnissen vor Ort decken, möchten wir unsere evidenzbasierten Erkenntnisse aufbereitet zur Verfügung stellen.
Auszug, S. 7 - 8:
Autonomie über die Tätigkeit
Obwohl Frauen in der Prostitution ihre Preise selbst mit dem Freier aushandeln dürfen, räumen Gewerbetreibende in der KFN-Studie zu einem hohen Anteil, bei Prostitutionsstätten fast jeder vierte (38,9 %) Festlegungen bezüglich der Preise ein. [...]
Bei knapp acht Prozent des KFN-Samples ist keine selbstbestimmte Entscheidung über die Leistung gegeben. Fast vierzehn Prozent der Befragten (fast jede siebte) ist keine selbstbestimmte Entscheidung über den Preis der Leistung gegeben. Mehr als jede fünfte (79,5 %) gibt an, keine selbstbestimmte Entscheidung über die Auswahl der Freier treffen zu können. Und mehr als 11 % kann nach eigenen Aussagen nicht über den Abbruch eines Treffens entscheiden.
Auszug, S. 8:
Gewalt- und Kriminalitätserfahrungen
Auffällig ist, dass das KFN sich zu den bekannten Tötungsdelikten in der deutschen Prostitution ausschweigt. So wurden nach dem Dokumentationsprojekt „Sexindustry Kills“ alleine seit dem Jahr 2000 129 vollende Tötungsdelikte, 69 versuchte Tötungsdelikte sowie sechs vermisste Frauen dokumentiert.²
Mehr als jede vierte befragte prostituierte Person wurde in den vergangenen 12 Monaten Opfer einer kriminellen Tat. Trotz eines möglichen Overreportings ist es besorgniserregend, wenn 329 Personen von 3.305 sexuellen Belästigungen, 163 Personen von 1.019 Bedrohungen, 131 Personen von 487 Körperverletzungen und 40 Personen von 288 sexuellen Nötigungen berichten.
Zu 72,4 % wurden die erfassten Delikte in erlaubnispflichtigen Betriebsformen verübt, was die Frage der Wirksamkeit der Sicherheitskonzepte aufwirft. Viele Betreiber gaben an, die vorhandenen Notrufsysteme seien nicht benutzt worden, jedoch wirft es diesbezüglich Fragen auf, wenn 29 Betreiber von 949 Betätigungen in den letzten 12 Monaten berichten. Nicht thematisiert wird von den Forschenden, dass, wie uns viele Betroffene im Feld berichten, pro Betätigung des Notknopfes 25 Euro an das Sicherheitspersonal gezahlt werden müssen.
² siehe www.sexindustrykills.de
Die aktuelle Politik ist frauenfeindlich und menschenverachtend - das kann niemand weiter ignorieren.
Wenn die Politiker den Überlebenden nicht glauben wollen - dann müssen sie den Ermordeten glauben.
Tote lügen nicht! [4]
Genung ist genug! Praxis ist die beste Evaluation!
Pani Fem
Netzwerk Ella - 2025
Quellen:
Bild 1: KFN, Evaluation des Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen, Abbildung 157, S. 473 (S. 524 der PDF-Datei)
Bild 2: KFN, Evaluation des Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen, Abbildung 156, S. 472 (S. 523 der PDF-Datei)
[1] KFN: Evaluation des Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen, 24.06.2025,
https://www.bmbfsfj.bund.de/resource/blob/266220/48609c967693e7454e58950a6fa43cdb/evaluation-prostituiertenschutzgesetz-abschlussbericht-data.pdf[2] Kommunales Frauenreferat Wiesbaden: Erkenntnisse der Evaluation des ProstSchG vor dem Hintergrund der Wiesbadener Erfahrungen – Erkenntnisse, Limitationen und Kritik, 07.2025,
https://www.wiesbaden-gewaltfrei.de/wp-content/uploads/2025/07/KFN_Evaluation_PDF_Version_komprimiert.pdf[3] Marlene, Netzwerk Ella: Statement und Erfahrungen, 28.07.2025,
https://www.buendnisludwigsburg.de/media/marlene_netzwerk_ella_statement_und_erfahrungen.pdf[4] Dokumentationsprojekt „Sexindustry Kills“,
https://www.sexindustrykills.de