von Ellas
Liebe Freundinnen und Freunde,
was wenn es Deine Tochter, Mutter oder Schwester wäre? Dazu heute einmal Gedanken einer Mutter, die ihre Tochter ans Milieu verloren glaubte. Danke, Maria!
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Autorin: Maria A.Mutter – Getroffene – Betroffene – Teilhabende – Beteiligte – Mitwisserin – Mittäterin – Mitleidende und Leidende – Hilfesuchende – Hilfegebende – ohnmächtig.
Schlagworte und Schlaglichter auf Jahre geprägt von Zweifeln, Verzweifeln, schwankend zwischen Verständnis, Liebe und Abgründen. Mutter einer Tochter – Jahre davon Mutter einer Prostituierten.
Was macht Deine Tochter, wo ist sie ….
Ausflüchte, beschönigende Umschreibungen, Lügen – wem wäre die Wahrheit zuzumuten?
Ohne den typischen, urteilenden und verurteilenden Blick, vor dem ich meine Tochter schützen wollte und auch mich.
Der engste Familienkreis, ganz wenige FreundInnen, die die Untiefen des Lebens aus eigener Erfahrung kennen und vielleicht die Abgründe erahnen konnten, in denen meine Tochter lebte.
Diese eigene, fremde, abgeschlossene Welt die nicht mit unseren Regeln und Gesetzen zu verstehen ist, ein Hineinfühlen ausgeschlossen.
Welche Erklärung könnte es geben, könnte ich geben?
Oft genug habe ich mich gefragt, ob und an welcher Stelle ich hätte eingreifen können, sollen, müssen.
Dachte ich doch immer, ich müsse ihre Entscheidung akzeptieren, sie lassen und nicht meine Vorstellungen zum Maßstab erheben – aus heutiger Sicht ein schwerer Fehler, denn sie hatte keine Entscheidungsfreiheit, sie war bereits viel zu verstrickt in dieser abgeschlossenen Welt, die ihr den Blick auf die Realität versperrte und somit war sie auch blind geworden für Ausstiegsszenarien – doch das wusste ich damals nicht, weiß es erst heute, nachdem sie sich schrittweise mir geöffnet hatte.
In all den dunklen Jahren war sie für mich in unerreichbare Ferne gerückt, obwohl ich immer wieder anklopfte – sie verweigerte sich, beharrte auf ihrer Lebenswelt und der vermeintlichen Zufriedenheit.
Als Mutter habe ich immer gespürt, dass es diese Zufriedenheit nicht geben konnte, habe gebangt, um ihre Gesundheit, ihr Leben.
Ich habe versucht, sie mit Gefühlen und Worten aus meiner Welt zu erreichen – doch diese war längst nicht mehr ihre. Ich aber dachte, sie will eben nicht, das muss ich akzeptieren. Heute weiß ich – sie konnte nicht – längst sprachen wir nicht mehr die gleiche Sprache.
In meinem Berufsleben habe ich viele Frauen und Mädchen mitfühlend und professionell begleitet – für mich habe ich niemanden gefunden – keine Ratgeber, keine Selbsthilfegruppen.
„Der Schlüssel der Zufriedenheit liegt darin, nicht nach Gründen zu fragen“ - diesen Satz hatte ich irgendwo gelesen – aber mein Schlüssel zur Zufriedenheit war er nicht.
Doch wichtiger als die Frage nach den Gründen wäre es gewesen, doch nach meinen Überzeugungen zu handeln, sie auch gegen ihren Willen einfach raus zu holen – dass ich das nicht getan habe, werfe ich mir vor, denn es war stets gegen mein inneres Gefühl.
Aber niemals – trotz vieler Enttäuschungen und schmerzlich empfundener Ablehnung – niemals hab ich die Tür zugeschlagen, weder die äußere noch die innere.
Und schließlich hat sie mit einem letzten Kraftakt und sehr kurz, bevor es zu spät gewesen wäre, diese Tür aufgestoßen…..
Wir durften sie rausholen – nicht ganz ohne Risiko, aber es ist gelungen. Sie so zu sehen war schrecklich – und doch war es Glück, Freude, Befreiung, Hoffnung.
Alles wird gut, wenn auch vermutlich nie wieder heil, doch die letzten Jahre haben gezeigt, dass Heilungsprozesse eingesetzt haben und sie auf dem Weg ist, sich selbst oder zumindest Teile von ihr wieder zu finden.
© Maria A. - 2023
Titelbild:
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