
Heute mit einem Text zum Thema Körperbild.
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Autorin: ClemonieJedes Mal, wenn ich einen Spiegel sehe, muss ich abspalten, oder mich wegdrehen, um den Körper nicht zu sehen. Das Persönlichste eines Menschen, der eigene Körper, ist so oft verletzt worden.
Die eigenen Grenzen eingerissen. Völlig legal und von der Gesellschaft gebilligt.
Mein Körper erinnert an diese Zeiten, die sich, sowohl scharf, als auch diffus in mein Bewusstsein drängen. Die meiste Zeit fühle ich mich von dieser Hülle losgelöst. Die Hülle und ich. Das hat doch nichts miteinander zu tun, oder?
Ist das alles nicht nur mit dieser Hülle passiert?
Am liebsten würde ich mich wie eine Schlange häuten, aber das geht nicht. Ich kann die eigene Haut nicht abstreifen, mit der so viele schlimme Dinge passiert sind. Bin ich denn wirklich nur diese Hülle? Habe ich den Wert, den die Männer der Hülle zuweisen?
Es fällt mir schwer, auszuhalten, sich nicht abzuspalten. Wenn die Abspaltung mal nicht funktioniert, wird alles schlimmer. Dann will ich mich verletzen und alles beenden, damit die Schmerzen aufhören. Aber das schaffe ich nie.
Zu meinem Spiegelbild habe ich so die meiste Zeit keine Gefühle. Eine Fremde schaut mich an und es dauert oft eine Weile, bis ich mich wirklich erkenne.
Oft kommt der gut gemeinte Rat, den eigenen Körper zu lieben, doch wie soll das gehen? Wie kann ich es überhaupt ertragen, in meinem Körper zu sein? Wie kann ich mich verbunden fühlen? Die Haut ist an diversen Körperstellen fast ganz taub, an anderen Stellen dann wieder sehr empfindlich. Niemand kann meinen Hals anfassen und ich lasse nichts daran.
Der Unterkörper hingegen ist kaum schmerzempfindlich. Es wurde so viel damit gemacht und die Männer machen immer weiter, egal was ich tue. Nichts hilft. Das da unten gehört nicht zu mir. Oder? Ich weiß es doch nicht.
Wenn ich meinen Körper aus irgendeinem Grund doch spüre, ist mir stundenlang schlecht. Eigentlich wollte ich etwas in mir schützen, aber das funktioniert nur, wenn ich mein Äußeres dafür opfere. Aber selbst das reicht nicht.
Ich wünsche mir, eines Tages lieb zu meinem Körper sein zu können, egal was passiert ist. Die Vergangenheit hinter mir lassen können. Doch das wird nur möglich sein, wenn die Sexindustrie endlich bekämpft wird. Natürlich weiß ich, dass die meisten Wünsche nie in Erfüllung gehen. Wahrscheinlich wird es auch mein Wusch nicht.
Doch auch, wenn die Zeit im Rotlicht mich für immer verfolgen wird (in welcher Form auch immer), ist es nicht zu spät. Es ist nie zu spät, anzufangen, um so viele Mädchen und Frauen zu schützen.
Niemals sollten sie sich derart abspalten müssen.
Nie durch diese Hölle gehen.
Das ist alles.
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