Heute mit einem persönlichen Text.
Inhaltswarnung: Gefühle der Ausweglosigkeit, Einsamkeit.
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Autorin: LouiseIch wache auf, oft schon bevor der Tag beginnt, und spüre den Druck, der nie ganz von mir weicht. Es ist, als hätte ich meine eigene Seele irgendwo verloren, irgendwo zwischen den Schlägen meiner Kindheit und den ersten Nächten, in denen ich mich für Geld verkauft habe. Aber “verkauft” klingt zu einfach, zu sauber. Es ist nicht mein Wille, es ist nicht meine Wahl. Es sind die Umstände, die mich hier festhalten – das Geld, die Menschen, die mich zwingen, die Drohungen, die immer in der Luft hängen.
Manchmal frage ich mich, wie es wäre, ein anderes Leben zu haben, eines ohne die ständige Angst, ohne die Gewalt, die entweder ausgesprochen oder unausgesprochen in jedem Blick steckt. Aber diese Gedanken muss ich unterdrücken. Sie machen es schwerer, durchzuhalten. Die Realität ist hart genug. Es gibt Tage, da spüre ich kaum noch etwas – nicht die Hände, die mich berühren, nicht die Worte, die sie sagen. Es ist wie ein Abschalten, ein Fliehen in die Leere meines Inneren. Und dann gibt es Tage, da trifft mich alles mit voller Wucht. Der Ekel, die Scham, die Erinnerungen an die ersten Male, als ich nicht wusste, wie ich das überleben sollte.
Ich habe früh gelernt, dass Menschen grausam sein können. Die Gewalt, die ich in meiner Kindheit erfahren habe, hat mir gezeigt, dass mein Körper nicht wirklich mir gehört. Es war immer jemand da, der ihn genommen hat, ohne zu fragen. Vielleicht deshalb fühlt sich das, was ich jetzt mache, manchmal fast wie eine Fortsetzung an. Es ist nur ein anderer Rahmen, aber das Gefühl der Machtlosigkeit bleibt.
Was am meisten schmerzt, ist die Einsamkeit. Nicht einmal, wenn ich von Menschen umgeben bin, die mich “wollen”, fühle ich mich gesehen. Alles an mir ist für andere da, nichts davon ist für mich. Und manchmal frage ich mich, ob ich überhaupt noch eine Person bin oder nur eine Funktion, eine Ware. Diese Gedanken machen mir Angst, aber ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken. Es gibt Rechnungen zu zahlen, Leute, die ihr Geld einfordern, und Drohungen, die mir im Nacken sitzen.
Ich träume manchmal davon, zu entkommen, aber wohin sollte ich gehen? Die Narben, die ich trage, sind nicht nur auf meinem Körper. Sie sind in mir, und ich weiß nicht, ob sie jemals heilen können. Vielleicht bin ich schon zu lange hier, vielleicht bin ich schon zu kaputt, um ein anderes Leben zu führen. Aber trotzdem bleibt da dieser kleine Funken Hoffnung, dass es irgendwann anders wird – dass ich eines Tages die Ketten, die mich festhalten, brechen kann.
Bis dahin schleppe ich mich weiter durch die Tage und Nächte, durch die Abgründe, die ich niemals selbst gewählt habe. Es ist kein Leben, es ist ein Überleben. Aber vielleicht, nur vielleicht, wird daraus eines Tages mehr.
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